Nachgefragt

von

Josef Grillmeier

Unsere Händler berichten über ihre Strategie aus der Krise.

Krisen wie die aktuelle Situation treffen die Menschen zunächst einmal schwer, gerade für den Einzelhandel bedeuten die Ausgangsbeschränkungen und der Lockdown tiefe Einschnitte. Aber sie birgt auch Hoffnung und Chancen für einen Neuanfang. Standard Project hat mit ausgewählten Händlern darüber gesprochen, wie sie die aktuelle Situation meistern, wie sie die Zukunft sehen und welche Produkte und Aktionen die Kunden gerade am meisten schätzen. Das Resümee: Die Krise trifft die Händler sehr, dennoch blicken sie positiv in die Zukunft und nehmen sie auch selbst in die Hand. Darüber hinaus erfahren sie eine große Welle an Unterstützung seitens ihrer Kunden, aber auch Zulieferern, Vermietern oder Geschäftspartner, die sie so nicht erwartet hätten. Gespräche, die Zuversicht und Optimismus auf eine hoffentlich bessere Zukunft vermitteln.

CASA 43

München, Deutschland
Dr. David Wawrzinek, Head of Marketing & Communication
CASA 43
Head of Marketing & Communication

Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und blicken positiv in die Zukunft. Seit Ende März sind wir mit unserem neuen Online-Shop CASA 43 to go am Netz und bieten auch dort unsere Ware an.

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Wir haben vermehrt Vernetzungsangebote der lokalen Medien oder der Stadt München genutzt und uns voll auf unseren Online-Shop konzentriert. Dabei haben wir uns stets gefragt: Welche Servicemaßnahmen bieten unseren Kunden in der aktuellen Situation einen Mehrwert? Das Ergebnis waren Maßnahmen wie eine Live-Telefonberatung und ein kostenloser Verpack-Service inklusive individualisierter Großbotschaft, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Welche Produkte sind aktuell und werden wichtiger für die Kunden?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wiederverwendbare Mund- und Nasen-Masken, Produkte zum Verschönern der eigenen vier Wände sowie generell regionale Produkte verstärkt nachgefragt werden.

Abseits von Produkten: Was muss der Handel den Kunden in der momentanen Situation bieten?
Der lokale Handel muss den Kunden exzellenten, persönlichen Service bieten und Vertrauen sowohl bei Kunden als auch Mitarbeitern schaffen. Damit ist vor allem die strikte Einhaltung der Hygienevorschriften und der damit verbundene Gesundheitsschutz gemeint. Der Marketing-Professor Claas Christian Germelmann von der Universität Bayreuth hat fünf goldene Regeln hinsichtlich Werbung in der Corona-Krise und den angemessenen Umgang mit Kunden formuliert, die unserer Meinung die Sache auf den Punkt bringen:
– Ehrlichkeit wird gewürdigt
– Sei relevant, oder still!
– Verantwortung für die Mitarbeiter übernehmen
– Binde die Kunden ein
– Sei großzügig – mit Augenmaß

Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich für den Handel in der aktuellen Situation, um sich vom Onlinehandel abzusetzen?
Die lange Isolationsphase hat uns allen vor Augen geführt, wie wertvoll und wichtig persönliche Sozialkontakte sind. Ein freundliches „Guten Tag“ oder ein aufmerksamer Blick, also die direkte, interpersonale Kommunikation und der Kontakt ohne Zwischenmedium, sind essentiell für uns Menschen. Der stationäre Handel kann sich unserer Meinung vom Onlinehandel also abzugrenzen durch: eine regionale Note, personalisierte Serviceangebote, persönliche und ehrliche Beratung sowie den einen oder anderen spontanen, netten Plausch (natürlich immer unter Einhaltung der Hygiene-Regeln).
Darüber hinaus sehen wir in der verstärkten Kooperation lokaler Unternehmen eine große Chance, nach dem Motto: Zusammen ist besser als allein: #münchenhältzamm

Sind eure Fabrikanten kooperativ?
Ja, wir haben mit unseren Zulieferern durchweg sehr gute Erfahrungen gemacht.

Hatten Sie ein besonders schönes / positives Erlebnis in der letzten Zeit?
Ja, nämlich die Unterstützung eines befreundeten Händlers, Werner Merten, dem Geschäftsführer des Teahouse. Er hat seinen Laden schräg gegenüber in der Sendlinger Straße. Als der Shut-Down verkündet wurde, hat er sofort angeboten, uns auf der Startseite seines Onlineshops zu verlinken. Das war eine ganz große, selbstlose Geste, für die wir ihm sehr dankbar sind. Herzlichen Dank, lieber Werner! Wir sind davon überzeugt, dass der lokale Einzelhandel nur durch gegenseitige Unterstützung und Kooperation durch diese Krise kommen wird, die allen Prognosen nach noch lange Zeit andauert! Daher unser Appell: Lasst uns unsere Kräfte bündeln und zusammenhalten!

B15

Klagenfurt am Wörthersee, Österreich
Stefan Trötzmüller

Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Die aktuelle Situation widerfährt nicht nur uns, sondern alle sind davon betroffen. Wir gehen dennoch positiv in die Zukunft und betrachten die Umstände als einen positiven Neustart.

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Das klingt zwar nicht sonderlich erfinderisch, aber wir machen seit der Wiederöffnung genauso weiter wie bisher. Bei uns gibt es keine Aktionen und auch keinen vorzeitigen SALE.

Welche Produkte sind aktuell und werden wichtiger für die Kunden?
Wir haben unser Sortiment schon immer sehr sorgfältig für unsere Kunden ausgewählt, daher ist bei uns auch das komplette Sortiment, von dem wir gänzlich überzeugt sind, relevant und wichtig.

Abseits von Produkten: Was muss der Handel den Kunden in der momentanen Situation bieten?
Wir setzen auf drei Punkte: Ehrlichkeit, Kompetenz und Loyalität zum Kunden

Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich für den Handel in der aktuellen Situation, um sich vom Onlinehandel abzusetzen?
Wir sehen es als eine Chance, dass sich die Kunden wieder zurück zum Fachhandel und zur individuellen Beratung orientieren. Gerade in der aktuellen Situation wurde es durch den Shut Down deutlich, dass es keine Lösung ist, wenn die Städte verwaisen und man nur noch online einkaufen könnte. Auch wir bieten neben unserem stationären Store auch online unser Sortiment an, online und stationär gehen also Hand in Hand.

Hatten Sie ein besonders schönes/positives Erlebnis in der letzten Zeit?
Ja, mit der Wiederöffnung unseres Stores, kehrte der positive Alltag wieder zurück. Unsere Kunden waren und sind froh darüber, uns zu sehen und bei uns stationär einkaufen zu können, denn wir alle wollen ein besonderes „Einkaufserlebnis“ verspüren.

Bube&König

Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Natürlich ist auch bei uns die Situation angespannt, wir überlegen jeden Tag aufs Neue, wie wir am besten damit umgehen. Wir versuchen stets, das Positive zu filtern und machen das Beste draus!

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Wir haben Social Media clever eingesetzt und über Instagram viel Werbung zu unserer Ware geschalten. Die Kunden haben diese dann entweder abgeholt oder wir haben sie zu ihnen geliefert. Darüber hinaus haben auch viele Kunden bei uns Gutscheine gekauft und wir haben bei der Crowdfundingplattform „Startnext“ mitgemacht. Dabei wurden circa 4.500 Euro gespendet.

Welche Produkte sind aktuell und werden wichtiger für die Kunden?
Wir hoffen, dass die Kunden mehr über den Konsum nachdenken und hinterfragen, wo die Ware herkommt und wer und was hinter den Produkten steht – insbesondere die Produktionsbedingungen und die Verarbeitung. Auch regional hergestellte Produkte, die ohne großen Transportwege auskommen, werden wichtiger.

Abseits von Produkten: Was muss der Handel den Kunden in der momentanen Situation bieten?
Ein Sortiment, dass auf die Bedürfnisse der Kunden eingeht: Wir suchen schon immer Sachen, die fair produziert werden und bei denen eine hohe Qualität erkennbar ist! In der Regel sind das Firmen aus Deutschland, Dänemark, England, den USA etc. Ich denke und wünsche mir, dass die Kunden und auch wir selbst ein bisschen mehr darauf achten, was wir kaufen. Und ich hoffe, dass wenn jemandem dafür die finanziellen Mittel fehlen, er zumindest weiß, was richtig und was falsch ist! Ich denke, damit wäre uns allen geholfen, wenn wir ein gesundes Mittelmaß finden würden.

Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich für den Handel in der aktuellen Situation, um sich vom Onlinehandel abzusetzen?
Qualität zahlt sich meiner Meinung nach immer aus, egal ob beim Service oder beim Produkt. Ich hoffe, dass die aktuelle Situation eine positive Auswirkung für uns alle haben könnte.

Hatten Sie ein besonders schönes/positives Erlebnis in der letzten Zeit?
Ja, sogar sehr viele! Beispielsweise haben unsere Vermieter die Miete für ein paar Monate gestrichen, Auch viele Kunden haben uns supportet, indem sie entweder bei uns gekauft haben, oder aber auch einfach nur uns geschrieben haben, unsere Instagram Postings geteilt haben und und und. Mit so viel Hilfe haben wir nicht gerechnet. Aber nicht nur mit den Kunden haben wir positive Erlebnisse geteilt, auch intern wächst man meiner Meinung nach durch solche Erfahrungen zusammen. Ob durch gemeinsames Nähen oder Geschichten erzählen, solche Erfahrungen machen uns insgesamt reifer. Wegen manchen Aktionen musste ich sogar weinen, da ich es echt nicht erwartet habe. Unser Credo ist und bleibt: Zammhalten und supporten! Das sollte ein Grundgedanke für uns alle werden.

Copyright Bildmaterial: Grischa Jäger